Nanopartikel – riskantes Spiel mit kleinen Teilchen?

Nanopartikel – riskantes Spiel mit kleinen Teilchen?

Was sind Nanopartikel?

Mit einem Durchmesser zwischen 1 und 100 Nanometer sind Nanopartikel die Zwerge unter den Teilchen (griech. Nanós = Zwerg) – und rund tausendfach kleiner als der Durchmesser eines Haares.  

Das Besondere an Nanopartikeln: Aufgrund ihrer geringen Größe haben sie völlig andere Eigenschaften als größere Teilchen desselben Stoffes. Das birgt Chancen, aber auch Risiken! 

Weit verbreitet: Nanopartikel im Alltag

Nanopartikel werden in vielen Bereichen eingesetzt. Im Alltag begegnen sie uns z.B. in 

  • Kosmetik, Lebensmitteln, Reinigungsmitteln oder Bioziden 

  • Funktionskleidung (wasser-/schmutzabweisend, antibakteriell, UV-Schutz) 

  • nässe- und schmutzabweisenden Imprägniersprays, Fassadenfarben, Markisen, Zelten usw. 

  • Frischhalteboxen, Schneidebrettern, Antihaftbeschichtungen von Bratpfannen 

  • Kühlschränken und Waschmaschinen …  

Hier den Überblick zu behalten, ist fast unmöglich. Das gilt für Verbraucher und Behörden gleichermaßen:  

Dass es auch anders geht, zeigt Frankreich, wo es bereits eine Registrierungspflicht für nanohaltige Produkte gibt. 

 

Nanopartikel in Kosmetik 

Nanopartikel sind beliebte Zusätze in Kosmetikprodukten.  

  • Titandioxid und Zinkoxid wirken ähnlich wie kleine Spiegelchen als mechanischer UV-Schutz in Sonnencremes, Tagescremes usw. Im Gegensatz zu „normalem“ Titandioxid, das früher häufig in Sonnencremes verwendet wurde, hinterlässt Titandioxid als transparentes Nanoteilchen keine weißen Spuren auf der Haut.  

  • Tris-Biphenyl-Triazin (TBPT) kommt ebenfalls als Sonnenschutz zum Einsatz. 

  • Nanosilber in Deos, Seifen und Cremes soll Bakterien töten und unangenehmen Körpergeruch vermeiden. 

  • Nano-Aluminiumpartikel in Make-up sollen Falten kaschieren. In Deos sagen sie Bakterien und damit unerwünschten Gerüchen den Kampf an.

  • Siliciumdioxid kommt als Füllstoff oder Rieselhilfe in Zahncremes, Make-up, Puder usw. zum Einsatz. 
  • Biokomposite in Zahncremes sollen den natürlichen Zahnreparaturmechanismus des Speichels unterstützen. 

  • Carbon Black (Industrieruß, „Super-Schwarz“, CI 77266 (nano)) findet sich als Farbstoff in Wimperntusche, Eyeliner, Kajal, Lidschatten, Augenbrauenstiften und Nagellack.

  • Fullerene, aus Kohlenstoff bestehende Kügelchen wie das sog. C60, werden Anti-Aging-Cremes zugesetzt, um freie Radikale abzufangen und so der Hautalterung entgegenzuwirken.  

  • Hüllen im Nanoformat wie Liposomen sollen die Aufnahme von Wirkstoffen verbessern. Anders als viele andere Nanopartikel müssen sie nicht als „nano“ ausgewiesen werden.  

Nanopartikel in Lebensmitteln 

Auch wenn keine Nanopartikel deklariert sind: Einige „normale“ Lebensmittelzusatzstoffe enthalten herstellungsbedingt immer einen gewissen Anteil an Nanopartikeln. Darunter der weiße Farbstoff Titandioxid (E 171), bei dem gut ein Drittel als Nanoteilchen vorliegen soll, und Siliciumdioxid (E 551), das dafür sorgt, dass Kochsalz, Tütensuppen und andere Pulver nicht verklumpen. 

Nanokapseln (z. B. Liposome, Micellen und Vesikel) sorgen in verarbeiteten Lebensmitteln und vielen Nahrungsergänzungen dafür, dass Stoffe wie Vitamine und Geschmacksstoffe leichter aufgenommen werden.  

Bei Verpackungen von Lebensmitteln sollen Nanopartikel für eine längere Haltbarkeit sorgen. Erlaubt sind Carbon Black, Siliciumdioxid und Titannitrid.

Gekennzeichnet werden müssen Nanomaterialien in Lebensmitteln seit 2014 – falls sie bestimmte Bedingungen erfüllen und z.B. absichtlich und technisch hergestellt und zugefügt werden.  

 

Übersicht: Häufige Nanopartikel im Alltag

Substanz Funktion Vorkommen Kennzeichnung bekannte Risiken
Nanosilber bakterientötend Textilien v.a. Sportbekleidung, Schuheinlagen, Waschmaschinen; Kosmetik (nano) bei Kosmetik; „normales“ Silber als Lebensmittelfarbstoff E174 größere Mengen können Haut und Organe grau färben; Anreicherung in Leber, Niere, Milz, Hoden, Gehirn; ermöglicht vermutlich Aufnahme unerwünschter Stoffe ins Gehirn; giftig für Lebewesen in Gewässern; kann die Ausbreitung von Antibiotika-resistenzen fördern; kann Zellen schädigen; schädigt Wasserlebewesen und deren Nachkommen (aquatoxisch)
Titandioxid (TiO2) UV-Schutz; weißer Lebensmittelfarbstoff Sonnencreme, Textilien, selbstreinigende Fassaden, Pulverlacke, Putze, Mörtel (nano) bei Kosmetik; E 171 in Lebensmitteln enthält auch Nanopartikel gilt als gut hautverträglich; „vermutlich krebserregend beim Einatmen“; schädlich für Wasserlebewesen; bei Ratten: entzündliche Reaktionen und Tumore; kann Darmentzündungen fördern
Zinkoxid UV-Schutz Sonnencreme, Textilien, Lacke, Kunststoffe (nano) bei Kosmetik Zinkoxid-Pulver kann beim Einatmen die Lunge schädigen.
Siliciumdioxid Fließ- und Rieselhilfe, Trennmittel Verpackungen, PET-Flaschen, Salz, Instant-Suppen, Kaffeeweißer E 551 in Lebensmitteln enthält auch Nanopartikel bei Versuchstieren: Entzündungsreaktionen in der Leber; möglicherweise Störungen im Darm
Carbon Black (Industrieruß) schwarzer Farbstoff, Filtermaterial (Aktivkohle) Lebensmittelverpackungen, dekorative Kosmetik, Tätowierfarbe, Abgase aus Industrie / Verkehr CI 77266 (nano) bei Kosmetik Beim Einatmen hoher Konzentrationen von freiem Carbon Black: Entzündungen, Husten, Auswurf, Bronchitis, Lungenkrebs
Kohlenstoff-Nanoröhrchen höhere Belastbarkeit Textilien keine Kennzeichnungspflicht in Textilien Entzündungsreaktionen (Inflammosom), Lungenfibrose
Nanokapseln (Micellen, Liposomen, Vesikel) Transporthelfer für Vitamine, Aromen, Coenzym Q10 Kosmetik, Nahrungsergänzungen und andere Lebensmittel keine Kennzeichnungspflicht  

Wie gelangen Nanoteilchen in den Körper?

 

In den Körper gelangen können Nanopartikel über

  • Lunge: Aufgrund ihrer geringen Größe können Nanopartikel sehr tief in die Lunge eindringen. Vorsicht geboten ist z.B. bei Druckgassprays, die einen feinen Sprühnebel verbreiten, und feinem Gesichtspuder. 

  • Mund: Über den Mund aufgenommene Nanopartikel können über Magen und Darm bis ins Blut und weiter in den übrigen Körper gelangen. 

  • Haut: Intakte Haut bietet nach aktuellem Forschungsstand eine gute Barriere. Vorsicht geboten ist bei entzündeter oder verletzter Haut (Sonnenbrand, Wunden, Neurodermitis und andere Hautkrankheiten). 

  • Riechnerv: Gemäß Tierversuchen können Nanoteilchen wie Carbon Black über den Riechnerv bis ins Gehirn vordringen.  

Damit die Nanopartikel möglichst nicht in den Körper gelangen, setzt die Kosmetikindustrie auf zahlreiche Tricks wie die Umhüllung mit Silikonen und Ölen, Verzicht auf die Verwendung in Druckgassprays usw.  
 

Mögliche Risiken durch Nanopartikel

Die meisten Nanopartikel sind anorganisch, werden also nicht biologisch abgebaut und dürften daher in der Umwelt verbleiben. Sie können von Pflanzen aus dem Boden aufgenommen und eingelagert werden und so in die Nahrungskette gelangen.  

Als riskant gelten v.a. ungebundene Nanopartikel. Doch selbst, wenn sie ursprünglich in gebundener Form zum Einsatz kommen, können Nanoteilchen im Laufe der Zeit freigesetzt werden. Ein typisches Beispiel ist aquatoxisches Nanosilber, das aus Waschmaschinen und Textilien ins Abwasser, in den Klärschlamm und in die Umwelt gerät. 

Grundsätzlich sind die Risiken von Nanopartikeln allerdings schwer einzuschätzen, da sie 

  • häufig gänzlich andere Eigenschaften als ihre großen Brüder haben, 

  • leicht mit anderen Substanzen in Körper und Umwelt wechselwirken,  

  • nach der Freisetzung ihre Eigenschaften ständig verändern können, 

  • schwer zu erfassen und nachzuverfolgen sind, 

  • noch unzureichend erforscht sind. 

Auch das BfR erkennt das Problem und sieht Handlungsbedarf:

Risiken für die Umwelt  

Die folgenden Beispiele zeigen, welches Risikopotenzial in Nanopartikeln steckt: 

  • Nanosilber ist aquatoxisch, d.h. giftig für zahlreiche Wasserlebewesen wie Algen, Fischembryos und im Wasser lebende Mikroorganismen. Bei Wasserflöhen hemmt es nicht nur Fortpflanzung und Wachstum, sondern schädigt sogar noch deren Nachkommen, indem sie ihren natürlichen Schutz vor Fressfeinden einbüßen.  

  • Zinkoxid ist ebenfalls aquatoxisch. 

  • Titandioxid wird durch Sonnenlicht noch giftiger und kann die Artenvielfalt im Boden reduzieren. 

  • Titandioxid, Nano-Silber und -Gold können über Generationen zu Schäden führen (erhöhte Sterberate, Störung der Fortpflanzung bei Rundwürmern und Wasserflöhen). 

  • Einige Nanopartikel können bei Fischen zu Entwicklungsstörungen sowie Veränderungen von Kiemen und anderen Organen führen.  

  • Nanoteilchen können das Verhalten von Wasserlebewesen verändern. 

  • Anhaftende Nanoteilchen können in entsprechender Konzentration Atmungsorgane und Fressapparat blockieren.   

Bisher gibt es jedoch noch keine wissenschaftlich gesicherten Erkenntnisse aus Langzeitstudien über die Folgen von Nanopartikeln für Gesundheit und Umwelt.  


Risiken für die Gesundheit 

Im Hinblick auf die toxischen Wirkungen bei Tieren (s.o.) muss man auch beim Menschen mit Langzeitfolgen rechnen. Beunruhigend sind Hinweise, dass einzelne Nanopartikel 

  • die Aufnahme von an ihnen haftenden Umweltgiften erleichtern, 

  • sich über das Blut im ganzen Körper verteilen, 

  • wichtige natürliche Barrieren wie die Blut-Hirn-Schranke und die Plazenta-Schranke überwinden, 

  • aufgrund ihrer geringen Größe verhältnismäßig leicht in Körperzellen eindringen (Pinozytose) und  

  • sich im Körper anreichern können.   

Was das konkret für unsere Gesundheit bedeuten kann, zeigen folgende Beispiele:

  • Nano-Titandioxid wurde von der Europäischen Kommission als „vermutlich krebserregend beim Einatmen“ eingestuft.  

  • Titandioxid kann Darmentzündungen verstärken. 

  • Zinkoxid-Pulver kann, wenn es eingeatmet wird, die Lunge schädigen. 

  • Nanosilber hemmt und tötet Bakterien – und unterscheidet dabei wie Antibiotika nicht zwischen nützlichen und schädlichen Arten. Im Hinblick auf die große Bedeutung unseres Mikrobioms ist der breite Einsatz von Nanosilber in Waschmaschinen, Textilien usw. daher überaus kritisch zu sehen. Sogar das BfR warnt davor. Zudem drohen vermehrt Antibiotika-Resistenzen.  

  • Nanosilber in Verbänden kann zu schwachen Hautreizungen führen.   

  • Nano-Siliciumdioxid lagert sich zwar schnell zu größeren Aggregaten zusammen. Inzwischen weiß man aber, dass diese im Darm wieder in nanogroße Partikel zerfallen können. Bei Versuchstieren hat man Siliciumdioxid-Partikel z. B. in der Leber gefunden, wo sie zu Entzündungen führten. 

  • Forscher der Uni Duisburg-Essen konnten 2019 zeigen, dass eine Vielzahl von Nanomaterialien im Verdauungstrakt an Bakterien bindet. So veränderte Bakterien können vom Immunsystem schlechter erkannt werden. 

  • Fullerene sind umstritten, weil sie im Gegensatz zu vielen anderen Nanopartikeln die Gewebebarriere durchdringen können. 

Woran erkenne ich Nanoprodukte?

Ausgewiesen werden müssen Nanomaterialien nur in Kosmetik, Lebensmitteln und Bioziden. Und auch dann nur unter bestimmten Bedingungen: 

  • Kosmetik: Seit 2013 müssen Nanomaterialien in Kosmetik in der INCI-Liste mit dem Zusatz (nano), in Klammern hinter der Substanz, aufgeführt werden – falls sie absichtlich hergestellt, unlöslich und biologisch beständig sind. Nicht dazu gehören Lipsosomen und Micellen, die vom Körper abgebaut oder ausgeschieden werden. 

  • Lebensmittel: Ähnlich wie bei Kosmetik müssen Nanomaterialien in Lebensmitteln seit 2014 im Zutatenverzeichnis mit dem Zusatz (nano) hinter der Substanz aufgeführt werden, sofern sie technisch hergestellt und absichtlich zugesetzt wurden. Nicht deklariert werden müssen demnach Nanoteilchen, die wie bei Siliciumdioxid (E 551) und Titandioxid (E 171) automatisch bei der Herstellung entstehen.  

  • Biozide: Nanomaterialien in Bioziden und Reinigungsmitteln müssen ebenfalls mit (nano) im Kleingedruckten gekennzeichnet sein. 

  • Bau- und Wohnprodukte: Hellhörig werden sollten Sie bei Eigenschaften wie „schmutzabweisend“, „selbstreinigend“, „bakterizid“ oder „kratzfest“. Typische Beispiele sind Fassadenbeschichtungen und Holzlacke. Helfen kann die Nano-Liste der BG Bau

Nanopartikel vermeiden – Tipps für den Alltag


Solange die Langzeitfolgen von Nanopartikeln für Gesundheit und Umwelt noch unzureichend geklärt sind, sollte man sich fragen, wo Nanoprodukte wirklich nötig und sinnvoll sind. In vielen Fällen gibt es gute Alternativen:  

  • Frisch, Bio, unverpackt: Den besten Schutz vor Nanopartikeln bieten frische, unverpackte Bio-Lebensmittel. Am besten von ökologischen Anbauverbänden wie Bioland, Demeter und Naturland, die ein hohes Bewusstsein für Nanomaterialien und deren Vermeidung haben.  

  • Augen auf beim Kleingedruckten: Bei Lebensmitteln und Kosmetik auf den Zusatz (nano) in der Zutatenliste achten. 

  • Siegel können helfen: „Naturkosmetik“ ist kein geschützter Begriff und kann auch Nanopartikel enthalten. Mehr Sicherheit bieten hochwertige Naturkosmetik-Siegel wie BDIH, NaTrue oder Ecocert, die zudem auf Mikroplastik verzichten.

  • Auf Naturfasern setzen: Bei Funktionskleidung gibt es ein zunehmend breites Angebot an Naturprodukten in Bio-Qualität. Wolle wärmt nicht nur wunderbar und reguliert die Feuchtigkeit, sie ist auch pflegeleicht: Wolle knittert kaum und nimmt kaum Schmutz oder Gerüche an. Statt zu waschen sorgt meist schon Lüften für einen frischen Duft. Besonders angenehm zu tragen ist Seide, die temperatur-ausgleichend wirkt und mit ihrer glänzenden Oberfläche besonders chic aussieht. 

  • Produkte von hypo-A enthalten keinerlei Rohstoffe, die auf Basis von Nanotechnologie hergestellt wurden oder als solche die Wirksamkeit verstärken sollen.

  • Eine – wenngleich unvollständige – Datenbank zu Nanoprodukten finden Sie beim BUND.