Newsletter 11/2022 – 22. Lübecker hoT-Workshop

Von Immunität bei Covid-19 über Psyche bis Zahnmedizin – Welche Rolle spielen Mikrobiom & Mikronährstoffe?

Wie kommt ein gestandener Oralchirurg dazu, eine 180-Grad-Wendung in seiner Praxis zu vollziehen und statt auf OP und Antibiotikum primär auf Darmsanierung und Thymian zu setzen? Und wieso geistern immer wieder scheinbar völlig widersprüchliche Studien zur Wirkung von Vitamin D bei Corona durch die Presse?

Antworten gab Ende September der 22. Lübecker hoT-Workshop. Einen ganzen Tag lang lauschte das internationale Publikum den Neuigkeiten rund um die hypoallergene orthomolekulare Therapie (hoT).

Bevor es aber richtig fachlich wurde, meldeten sich drei von hypo-A gesponserte Spitzensportler zu Wort.

 

Grüße von „unseren“ Spitzensportlern

Seit Jahren unterstützt hypo-A Sportler wie Christopher Linke, der sich als Vize-Europameister 2022 im 35-km-Gehen die langersehnte Medaille sichern konnte, und die Kickboxerin Natalie Zimmermann, die in ihrer Video-Botschaft ihrem Arzt Peter-Hansen Volkmann und hypo-A für die treue Unterstützung dankte. Begeistert berichtete die 3-fache Deutsche Meisterin und Vize-Weltmeisterin 2019 von ihren ersten Erfahrungen mit der hoT, als sie vor Jahren mit starken Kniebeschwerden in Volkmanns Praxis kam: „Nach der ersten Behandlung waren schon 80 % meiner Schmerzen wie weggeblasen.“

 

Von Volkmann lernte sie auch, worauf es ankommt:

  • Gezielte Supplementierung reiner Mikronährstoffe – ohne belastende Zusatzstoffe
  • Saubere Bio-Ernährung 
  • Wasser aus Glasflaschen, Kochen in Edelstahltöpfen usw.

„Das ist natürlich fordernd, das alles in den Alltag zu integrieren, aber machbar. Wo ein Wille ist, da gibt es auch immer einen Weg“, so das Fazit der Spitzensportlerin, die 2020 im Profisport angekommen ist.

 

Der nächste Video-Gruß kam aus Augsburg: Die erfolgreichen Kanusportler Noah und Samuel Hegge bedankten sich für die langjährige Unterstützung bis in die Leistungsklasse hinein. Inzwischen ist Samuel Hegge Weltmeister im Wildwasser, sein 23-jähriger Bruder Noah Hegge holte bei der Kanuslalom-WM 2022 Gold im Team – und damit seine erste Medaille bei Weltmeisterschaften.

 

Mikrobiom-Pflege versus Skalpell: hoT in der Oralchirurgie

Wie wertvoll Mikrobiom-Pflege und Orthomolekularia in der Zahnmedizin sein können, zeigte Prof. Dr. med. dent. Olaf Winzen, Zahnarzt und Vorstandsmitglied der Landeszahnärztekammer Hessen, im ersten Fachvortrag des Tages. 


Wie bei Zimmermann waren es Knieschmerzen, die Winzen in Volkmanns Praxis führten. „Ich konnte noch fünf bis sechs Meter laufen, dann habe ich es vor Schmerzen nicht mehr ausgehalten. Peter-Hansen Volkmann hat das Blatt komplett gewendet.“ Eine Erfahrung, die seine zahnärztliche Arbeit grundlegend verändern sollte.

Viel Chirurgie! Viel Leid?

Bei seiner Arbeit stieß Winzen immer wieder an die Grenzen der Chirurgie, sah Patienten, denen es trotz OP nicht besser, sondern mitunter sogar schlechter ging. „Viel Chirurgie bedeutet auch viele chronisch kranke Patienten.“ Und weiter: „Wir machen heute wesentlich weniger chirurgische Eingriffe.“


Ein Problem sind nicht nur unnötige OPs, wie das lange Zeit übliche „standardmäßige“ Entfernen von Weisheitszähnen, sondern auch die damit verbundene Antibiotika-Prophylaxe. Die kurzeitige Gabe ist zwar leitliniengerecht, verändert aber das Mikrobiom und fördert Resistenzen (1, 2). Hinzu kommt, dass immer mehr Menschen, eine Antibiotika-Prophylaxe ablehnen. „Wir müssen umdenken!“, so Winzen.

Thymian statt Antibiotikum 

Gesagt, getan! Heute gibt Winzen vor geplanten Operationen kein Antibiotikum mehr. Stattdessen setzt er auf Thymian und hat damit ähnliche gute Erfolge wie bei massiver Antibiotikagabe – ohne den Magen-Darm-Trakt zu belasten. Auch bei Erkältungen seien Thymiankapseln oft die bessere Wahl.
 

CMD geht weit über den Kiefer hinaus

Anders als der Name vermuten lässt, betrifft die Craniomandibuläre Dysfunktion (CMD) nicht nur Kiefer und Kauapparat. Betroffene haben häufig auch eine schlechte Haltung sowie Schmerzen an unterschiedlichen Muskeln und Gelenken, insbesondere in den Knien, aber auch an Kopf, Nacken und Rücken (LWS).

Letztendlich ist das alles Folge unseres modernen Lebensstils: Stress, Fastfood, Bewegungsmangel und langes Sitzen erhöhen den oxidativen Stress – und beeinflussen damit viele Funktionen im Körper. Kein Wunder also, dass Operationen allein hier zu kurz greifen. Was also tun?
 

CMD ganzheitlich & nachhaltig behandeln

Im ersten Schritt geht es darum, die Muskulatur und damit die Haltung wieder ins Gleichgewicht zu bringen. „Voraussetzung dafür ist ein gesundes Mikrobiom. Sonst funktioniert überhaupt nichts.“ Entsprechend steht für Winzen der Darm inzwischen an erster Stelle: „Vor sämtlichen Behandlungsmaßnahmen sollte der Darm gesund sein oder es muss eine Notlösung gefunden werden.“ 

Die besten Erfolge haben sie bei CMD durch eine Vortherapie mit Orthomolekularia („CMD-Paket“), der Behandlung des Mikrobioms und dem sogenannten Frontzahn-Jig (s.u., 3), an die sich die eigentliche Schienen-Therapie anschließt.

Zu Winzens Vortherapie bei CMD gehören ADEK, Magnesium-Calcium, Vitamin B-Komplex plus, Spurenelemente und Lachsöl – eine Kombination, die er selbst daher gern als sein „CMD-Paket“ bezeichnet.

Auch bei der Mikrobiompflege, die Winzen insbesondere vor planbaren größeren Eingriffen, Implantationen und Knochenaufbau empfiehlt, setzt er neben einer gesunden Ernährung und Bewegung auf reine Mikronährstoffe und Symbionten von hypo-A:

  1. Itis-Protect® I – ADEK, Mineral plus, Acerola Zink und Q10 plus Vitamin C
  2. ODS 1A – Vitamin AE + Lycopin, Schwarzkümmelöl, 3-SymBiose und Kalium spe
  3. ODS 2 – Lachsöl, Schwarzkümmelöl, 3-SymBiose plus und Magnesium-Calcium

Nach seiner Erfahrung profitieren so behandelte Patienten weit über die CMD hinaus: „Den Patienten, die das konsequent umgesetzt haben, geht es signifikant besser.“

Der Muskel, der bei Stress, eingeschränkter Kopfbeweglichkeit usw. die meisten Probleme bereitet, ist der M. pterygoideus lateralis. Er hat extreme Auswirkungen auf die Nackenmuskulatur. 

Dummerweise ist er nicht nur schwer zu untersuchen, sondern auch schwierig zu behandeln. Bei einer Entzündung kann temporär eine gezielte, aus therapeutischer Sicht recht anspruchsvolle Injektion am Muskelansatz mit Traumeel® helfen. Deutlich einfacher ist die Vortherapie mit einem kleinen unscheinbarem Stückchen Plastik: dem sogenannten Frontzahn-Jig. Als „Miniphysiotherapeut“ sorgt er für die sanfte Dehnung des Muskels und damit für eine bessere Balance des Kopfes und einen entspannteren Nacken.

Nachdem immer mehr und immer jüngere Patienten mit Schmerzen und CMD in seiner Praxis kommen, zeigt sich Winzen überzeugt: „Es muss etwas passieren! Es muss in der Ernährung etwas passieren, es muss bei der Aufnahme von Nahrungsergänzungsmitteln etwas passieren und es muss natürlich auch in der Therapie etwas passieren!“

4 Praxis-Tipps von Prof. Winzen

CMD-Paket – bei CMD & Stress

  • ADEK
  • Lachsöl
  • Vitamin B-Komplex plus
  • Spurenelemente
  • Magnesium-Calcium

Bei Entzündung

  • ADEK
  • Q10 plus Vitamin C
  • Zink
  • Thymian (z.B. Kapseln zu 500 mg)

Bei Implantation

  • ADEK
  • Vitamin B-Komplex plus
  • Q10 plus Vitamin C
  • Evtl. Thymian-Kapseln als Prophylaxe 

Vor planbaren größeren Eingriffen

  • Itis-Protect® I
  • ODS 1A
  • ODS 2

Allergien bis Schmerz – Was macht uns krank? Was gesund?

Wenn heutzutage so viele Menschen unter Allergien, chronischen Schmerzen und mangelnder Leistungsfähigkeit leiden, liegt das laut Peter-Hansen Volkmann meist an einem unseligen Mix aus moderner Ernährung, Umweltfaktoren, Stress und orthomolekularem Mangel. Besonders kritisch sieht er die zahlreichen Lebensmittelzusatzstoffe, die zu Allergien, Darmstörungen, aber z.B. auch zum hyperkinetischen Syndrom bei Kindern führen können (4). Bekannt sei das alles schon lange, doch noch immer würden diese Dinge verkauft und gegessen. Kritisch sieht Volkmann auch die weit verbreiteten Komposite, denen der Patient permanent ausgesetzt ist: „Kunststofffüllungen sind zum Teil sehr schädlich, aber state of the art“.

 

Viele dieser Faktoren erhöhen den nitrosativen Stress – und damit Mitochondriopathien, oxidativen Stress und Silent Inflammation, die sich je nach persönlicher Disposition als Neurodermitis, CMD, Rückenschmerzen usw. äußert. Durch das geschwächte Immunsystem haben Krankheitserreger leichteres Spiel, aber auch Allergien nehmen zu. Und so wundert es kaum, dass wir seit Jahren eine drastische Zunahme der Morbidität sehen, mit mehr Allergien, Ekzemen und Infekten. Verstärkt wird das Problem durch orthomolekularen Mangel, insbesondere an den für unser Immunsystem wichtigen Vitaminen C und D (5).

Kranker Darm, kranker Mensch

Als Folge unserer Fehlernährung kommt bei den meisten Menschen noch ein kranker Darm mit Dysbiose und Leaky gut hinzu. „Sie finden kaum noch jemanden, der einen gesunden Darm hat!“, so Volkmann. „Es wird schlecht verdaut, was unverdaut ist, wird schlecht resorbiert! Dann müssen wir alle in einen hoT-Mangel reinkommen.“ 

Bemerkbar macht sich unsere ungesunde Ernährung vor allen in den unteren Darmabschnitten, die deutlich weniger tolerant sind: „Der Mund ist wahnsinnig tolerant, sonst würde jeder Cola im hohen Bogen ausspucken“, so Volkmann. Doch was im Mund noch toleriert wird, kann im Darm zu Fäulnisdyspepsie, Morbus Crohn und Colitis führen.

Neben dem Darm leiden auch andere Organe wie Magen, Leber und Lunge – und führen über die aus der Kinesiologie bekannten Muskel-Meridian-Organ-Beziehungen zu Beschwerden an Muskeln und Gelenken bis zu Arthritiden und Arthrosen. (6) 

Was also tun?

Neben einer gesunden Bio-Ernährung könnte die hypoallergene orthomolekulare Therapie (hoT) – also das richtige Molekül für das jeweilige Problem – in vielen Fällen helfen. Das zeigt sich besonders eindrucksvoll im Rahmen der orthomolekularen Schmerzlöschung, einem einfachen Testverfahren, das jeder Therapeut für seine Schmerzpatienten nutzen kann. Dazu Volkmann: „Wir schalten Schmerzen aus, und zwar sofort, in 60 bis 70 % der Fälle.“ Vorausgesetzt, man arbeitet mit reinen Substanzen und trifft das richtige Molekül. Beispielsweise bei CMD, instabiler Halswirbelsäule oder Gelenk- und Wirbelsäulenschmerzen erzielt Volkmann mit dem Vitamin B-Komplex plus besonders viele Treffer.

Abschließend stellte Volkmann einige Studien zur hoT bzw. orthomolekularen Darmpflege bei Patienten und Sportlern vor: 

  • Normalisierung von Entzündungswerten unter Itis-Protect® I-IV bei schwerer Parodontitis („Hard-Core-Fälle“) (7)
  • 30 % mehr Kraft, 40 % mehr Beweglichkeit, mehr Schnelligkeit, weniger Säurelast und bessere Stresstoleranz bei Sportlerinnen (8)

Gerade die Säureansammlung im Gewebe sei für viele Sportler ein Problem. Sie führe zu Verhärtungen, verkürzten Muskeln und mehr Verletzungen, so die Erfahrung des Arztes für Naturheilverfahren und Sportmedizin, der in 30 Jahren Praxis unzählige Sportler betreut und zum Erfolg geführt hat. Bei Sportlern, die für ihre Muskeln Magnesium und Calcium brauchen, arbeitet er gerne mit Magnesium-Calcium, einer Mischung basischer Carbonate, die im sauren Magen umgehend dissoziieren und beide Mineralien zur Resorption freisetzt.

Vitamin D in der Corona-Krise

Ein neues Gesicht beim hoT-Workshop war der Arzt und Molekulargenetiker Dr. med. Michael Nehls. Für ihn führt der Weg zur Gesundheit vor allem über eine gute Prävention – und damit über eine natürliche Lebensweise: „Wenn wir nicht artgerecht leben, dann entstehen Krankheiten.“

Das zweite, was ihn bei seiner Arbeit leitet, ist der kritische Blick: „Als Wissenschaftler muss man Dinge hinterfragen.“ In seinem Vortrag wurde klar, was das für ihn im Hinblick auf Corona bedeutet. 

 

Kritisch sieht Nehls die Impfung und den Umgang damit: „Alle 6 Monate impfen ist schon sehr interessant. Das gibt es eigentlich bei keinem anderen Impfstoff, dass er so schnell seine Wirkung verliert.“ Langfristig könnten sich die Vaccine sogar negativ auf die Immunität auswirken. Darauf deutet zumindest eine schwedische bei Lancet publizierte Studie hin: 6 bis 8 Monate nach der zweiten Impfung war kein Impfschutz mehr vorhanden. Nach 8 Monaten hatten die Geimpften sogar einen schlechteren Schutz als Ungeimpfte. (9)

Inzwischen sind sich Experten einig, dass eine Herdenimmunität durch die Impfung nicht zu erreichen ist. Daher müssten andere Wege zum Schutz vulnerabler Gruppen gefunden werden. 

Das Hauptproblem bei schweren Verläufen von Covid-19 ist der Zytokinsturm, also die überschießende Immunantwort auf den viralen Infekt (10). Während die proentzündlichen Zytokine bei einem viralen Infekt normalerweise nur leicht ansteigen und anschließend wieder abfallen, kommt es bei schweren Verläufen zu einer übermäßigen Produktion dieser Immunbotenstoffe. 

Auffällig ist, dass der gefürchtete Zytokinsturm bei Covid-19 und anderen schweren viralen Atemwegsinfekten vor allem im Winter auftritt, wenn unser Körper von seinen im Sommer angelegten Vitamin-D-Reserven zehrt, genau gesagt, von dem im Fettgewebe gespeicherten Prohormon. Nehls spricht daher auch lieber von „Erdunkelungskrankheiten“ statt von Erkältungskrankheiten. Doch welche Rolle spielt Vitamin D wirklich bei viralen Atemwegsinfekten wie Covid-19?

 

Vieles spricht für Vitamin D bei Covid-19

  • Die epidemische Ausbreitung und die schweren Verläufe bei viralen Atemwegsinfekten haben ihre Ursache in einem saisonalen Vitamin-D-Mangel. (11) 
  • Die Risikogruppen für schwere COVID-19-Verläufe stimmen genau mit denen für einen Vitamin-D-Mangel überein. (12) 
  • Vitamin D unterstützt das Immunsystem. Und zwar sowohl mit Blick auf eine mögliche Unterreaktion, die Infektionen der oberen Atemwege begünstigt, als auch auf eine Überreaktion, die einen "Zytokinsturm" verursachen könnte. 
  • Wie leicht wir andere mit Covid-19 anstecken, hängt von unserem Vitamin-D-Spiegel ab. Gemessen wird der Spiegel als Vitamin-D-Prohormon im Blut. Den besten  Immunschutz erreichen wir ab 125 nmol/l bzw. 50 ng/l – ein Wert, den die meisten hierzulande selbst im Sommer nicht erreichen. 
  • Auch die Mortalität zeigt eine deutliche Abhängigkeit vom Vitamin-D-Spiegel: Bei Patienten, die bei Aufnahme ins Krankenhaus einen Vitamin-D-Spiegel unter 50 nmol/l (20 ng/l) haben, ist sie viermal höher, als bei Patienten mit einem höheren Spiegel (13). Liegt der Spiegel unter 30 nmol/l (12 ng/l) ist die Mortalität sogar 18-fach erhöht. Andere Forscher haben berechnet, dass ein optimaler Selbstschutz bei einem Vitamin-D-Spiegel von 125 nmol/l bzw. 50 ng/l erreicht sein dürfte (14).
  • Verglichen mit Menschen mit einem Vitamin-D-Prohormon-Spiegel über 100 nmol/l (40 ng/l) haben Menschen mit einem Wert unter 50 nmol/l (20 ng/l) ein um den Faktor 14 höheres Risiko für schwere Verläufe. 

 

Entscheidend ist die Vorsorge

Trotz allem gibt es auch Studien, bei denen selbst eine hohe Vitamin-D-Dosierung keinen Effekt zeigt. Wie kann das sein? Das liegt zum Teil am Studiendesign! Wenn die Probanden z.B. mit Blick auf die Knochengesundheit schon gut mit Vitamin D versorgt sind, ist diesbezüglich auch kein Effekt durch zusätzliche Supplemente zu erwarten.

Hinzu kommt: Das in unserer Haut gebildete Vitamin D3 (Cholecalciferol) hat zwar einen präventiven Effekt, wirkt aber erst, wenn es in der Leber in das Vitamin-D-Prohormon 25(OH)D3 (25-Hydroxy-Vitamin D3, Calcidiol) umgewandelt wurde. Dieser Schritt benötigt jedoch mehrere Tage. Wenn also ein schwer erkrankter Covid-19-Patient erst bei Einlieferung in die Klinik hochdosiertes Vitamin D3 bekommt, ist das einfach zu spät. 

 

Im Akutfall braucht es das Prohormon

In Akutfall ist eine spürbare Wirkung nur durch unmittelbare Gabe des Prohormons zu erwarten, das dann im Körper schnell in das eigentlich wirksame 1,25(OH)2D3 Vitamin-D-Hormon (Calcitriol) umgewandelt wird und das Immunsystem zeitnah unterstützen kann. Tatsächlich zeigen inzwischen zahlreiche Studien, dass mit Calcifediol (Vitamin-D-Prohormon) behandelte Covid-19-Patienten ein deutlich geringeres Risiko haben, auf die Intensivstation zu kommen oder gar zu sterben. Darunter sind auch Studien hochangesehener Institute, in denen sich die positive Wirkung von Vitamin-D-Prohormon als hochsignifikant erwiesen hat (15). „Es gibt kaum klinische Studien, die so einen hohen Evidenzlevel haben.“

Trotz der guten Erfolge des Prohormons gilt nach wie vor: „Prävention ist besser als Therapie.“ Diese bestünde laut Nehls im Fall von Covid-19 vor allem darin, den Vitamin-D-(Prohormon)-Spiegel auf 125 nmol/l anzuheben. Eine wirksame und zugleich günstige Maßnahme zum Schutz der Bevölkerung.

Wieviel Vitamin D brauchen wir? 

Dazu Dr. Nehls: „Für Hirnwachstum und Immunregulation braucht es höhere [Vitamin-D]-Werte als für unsere Knochenstabilität.“ Als Richtwert nennt er 50 nmol/l für gesunde Knochen und um 125 nmol/l für eine vernünftige Immunregulation.

Zum möglichen Risiko einer Überdosierung des fettlöslichen Vitamins verweist Nehls auf die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA). Diese hält eine tägliche Aufnahme von 4.000 IE Vitamin D (100 µg) für unbedenklich.

Seinen spannenden Vortrag schloss Nehls mit dem Wunsch, dass sich diese Ideen weit verbreiten mögen. Ein Wunsch, den sicher auch viele Zuhörer mit ihm teilten.

 

Tipps von Dr. Nehls

  • Für eine gute Immunität vor allem auf Vitamin D achten. Zusätzlich brauchen wir Zink, Selen und Omega-3-Fettsäuren.
  • Vor einer Impfung ggf. den Vitamin-D-Spiegel anheben.
  • Saubere Supplemente nehmen, keine Oxide (Bildung freier Radikale).

hoT bei Covid-19 und anderen Infekten

Ergänzend zu Nehls Plädoyer für Vitamin D widmete sich Volkmann in seinem zweiten Vortrag Substanzen, die bei Covid-19 und anderen schweren Atemwegsinfekten helfen können.

Dreh- und Angelpunkt ist dabei unsere Immunität, die auch laut WHO entscheidend für den Schutz vor Covid-19 ist (16). 

Wertvolle Mikronährstoffe

Mikronährstoffe können 

  • das Immunsystem unterstützen
  • den Eintritt von Viren in die Zellen erschweren
  • oxidativen Stress verringern

Eine italienische Übersichtsarbeit kommt zu dem Schluss: „Eine optimale Ernährung mit Mikronährstoffen und Omega-3-Fettsäuren könnte eine kosteneffektive, unterschätzte Strategie sein, um die weltweite Belastung durch Infektionskrankheiten, einschließlich der Coronaviruserkrankung 2019 (COVID-19), zu verringern.“ Neben Omega-3-Fettsäuren hebt die Arbeit vor allem die Bedeutung von Vitamin A, C und D und Zink für unsere Immunantwort hervor. (17) Besonders gut belegt ist auch die Wirkung von Vitamin B1, C und D bei respiratorischen Erkrankungen. (18)

Multivitaminsaft – Was machen fettlösliche Vitamine in einer wässrigen Lösung?

Dank moderner Technik können wir inzwischen sogar fettlösliche Vitamine als Multivitaminsaft in einer wässrigen Lösung zu uns nehmen. Für die Zelle kann das durchaus zum Problem werden, wenn sie die nun wasserlöslichen Vitamine wie gewohnt dort einbaut, wo eigentlich Fette sind. Mögliche Folge sind löchrige Membranen und ein erhöhtes Allergierisiko.

Melatonin – mehr als nur ein Schlafhormon?

Eine Substanz, die im Context mit Corona wird fast nie erwähnt wird, aber durchaus relevant sein könnte, ist das als Schlafhormon und Stimmungsaufheller bekannte Melatonin. In den USA wird schon länger und in höheren Dosen als bei uns mit dem selbst im Darm mit gesunden Darmbakterien gebildeten Hormon gearbeitet. Inzwischen wird auch seine Rolle bei Virusinfekten diskutiert. 

Interessanterweise konnte bei der Göttinger Wohlfühlstudie 2002 unter der Darmpflege mit Wohlfühl Paket, ODS 1 und ODS 2 ein Anstieg von Melatonin beobachtet werden (z.T. unveröffentlichte Daten), während sich zugleich die Stimmung, Aktivität und Müdigkeit verbesserten. 

Melatonin ist aber auch ein Suppressor von CD147, ein Glycoprotein, das für die Entstehung des Zytokinsturms verantwortlich ist. Es wirkt immunmodulierend und schützt vor Sauerstoffradikalen. Eine therapeutische Melatonin-Gabe könnte daher bei älteren und immungeschwächten Patienten interessant sein, die weniger Melatonin haben. (19)

 

Sekundäre Pflanzenstoffe

Abschließend stellte Volkmann drei weniger bekannte, aber nicht minder interessante Substanzen vor:

  • Astaxanthin: Das Carotinoid soll den oxidativen Stress, Entzündungen und Zelltod beeinflussen und sich so günstig auf das Immunsystem auswirken.
  • Ulvan & Astaxanthin: Das Algen-Polysaccharid Ulvan und Astaxanthin unterstützen das Darm-Mikrobiom und können zur Symbiose-Lenkung mit Diversifizierung des Keimsprektrums genutzt werden. (20)
  • Lutein: Studien deuten darauf hin, dass besonders multimorbide Ältere und Hochrisiko-Patienten von dem starken Antioxidans profitieren können. (21)

 

Glyphosat, Chlorpyrifos, Bisphenol A – Schützen uns Verordnungen?

Nicht nur Nährstoffmängel, auch Umweltgifte können krank machen. Anhand ausgewählter Chemikalien ging der Kieler Umwelttoxikologe Dr. rer. nat. Hermann Kruse der Frage nach, welche Risiken von Schadstoffen ausgehen, wie Grenzwerte festgelegt werden, wie gut sie unsere Gesundheit schützen und was wir selbst zu unserem Schutz beitragen können.

In vielen Obst- und Gemüsesorten lassen sich Rückstände von Pflanzenschutzmitteln nachweisen. Sie bleiben zwar meist unterhalb der zulässigen Werte, doch es gibt Ausnahmen. So zeigen (nicht repräsentative) Untersuchungen aus Schleswig-Holstein, dass einige pflanzliche Lebensmittel sogar die Grenzwerte für Pestizide überschreiten und damit nicht mehr auf den Markt dürften. Mit 5 bis 7 % am höchsten war dieser Anteil bei Obst- und Gemüsezubereitungen für Säuglinge und Kleinkinder. Besonders häufig Pestizid-belastet sind Wein, Ananas, Erdbeeren, Pfirsiche und Nektarinen, Himbeeren, Äpfel, Kopfsalat, Tomaten, Rosenkohl, Pflaumen, Spinat und Avocado. In mehr als der Hälfte der Proben wurden Pestizide gefunden, bei Weißwein waren es fast 90 % aller Proben! (22)

Belastungen komplett zu vermeiden ist unmöglich, aber wir können sie reduzieren. Dazu Kruse:

Glyphosat

Das hochumstrittene Herbizid Glyphosat nehmen wir vor allem über Getreide auf, es gelangt aber auch über Futtermittel (Getreidestroh) in unsere Nahrungskette. In einigen Ländern ist es nach wie vor üblich, vor der Ernte Glyphosat zu spritzen, um die Ernte zu erleichtern. In Deutschland und Österreich ist das verboten. Daher Kruses klarer Tipp: „Heimische Produkte bevorzugen.“ 

„Wir wissen aus Studien […], dass Glyphosat eindeutig teratogen ist, das heißt, dass es auf das ungeborene Leben wirkt, und es in hohen Dosen eine mutagene Wirkung hat.“ Dagegen sind die epidemiologischen Studien zur Wirkung niedriger Glyphosat-Dosen nach Kruses Einschätzung nicht belastbar, weil sie nicht sauber gemacht sind. Trotzdem gäbe es ernstzunehmende Hinweise auf eine kanzerogene und teratogene Wirkung, so dass man den Einsatz von Glyphosat unbedingt beschränken oder weitmöglichst verbieten sollte.

Grenzwerte – Trügerische Sicherheit 

Anders als man denken könnte, sind die Grenzwerte für Pestizid-Rückstände nicht unbedingt toxikologisch begründet. Vielmehr fließen bei ihrer Festlegung neben der Toxikologie auch die Verzehrmenge und Erfahrungen aus der „guten landwirtschaftlichen Praxis“ mit ein, also z.B. wie gut Landwirte auf deren Einsatz verzichten können. Hinzu kommt, dass für Stoffe ohne spezifischen Grenzwert die Höchstmenge einheitlich auf 0,01 mg/kg festgelegt wird. 

Doch wie sieht es aus, wenn –  wie in den meistens Fällen – in einem Nahrungsmittel mehrere Pestizide auftreten? Schließlich wirken viele dieser Stoffe nicht nur additiv, sondern sogar synergistisch-exponentiell bzw. überadditiv. „Dieses Problem ist nach wie vor nicht gelöst“, so Kruse.

Fragwürdige Zulassung von Chlorpyrifos

Chlorpyrifos, das vielen als Mittel gegen Ameisen und andere Insekten bekannt sein dürfte, hatte bis 2020 eine EU-Zulassung. Derzeit wird eine Verlängerung geprüft, die Kruse schlicht für unverantwortlich hält. Warum?

Chlorpyrifos hemmt die Acetylcholinesterase, ist also neurotoxisch. Dennoch kommen streng vertrauliche Daten des Herstellers Dow-Chemical zu dem Schluss, dass es keine Hinweise auf neurotoxische Effekte gebe. Forscher, die auf Basis des schwedischen Informationsfreiheitsgesetzes Zugang zu den Daten erhalten konnten, kommen zu einem anderen Ergebnis. Demnach rufen bereits sehr niedrige Dosen in Tierexperimenten eindeutige Hirnschäden hervor. Zudem liefern epidemiologische Studien Hinweise auf eine Neurotoxizität von Chlorpyrifos beim Menschen. Ergebnisse, die Kruse auf Basis einer sehr großen Studie in Kindertagesstätten nur bestätigen kann. Auch die amerikanische Umweltbehörde (US-EPA) hat Zweifel an der angeblichen Sicherheit von Chlorpyrifos und sprach schon im Jahr 2000 von Datenmanipulation. 

Wie brisant das Thema ist, zeigen Daten aus dem Jahr 2016: Von 16.000 in Deutschland untersuchten Obstproben waren 4 % erheblich mit Chlorpyrifos belastet und enthielten mehr als die gesetzliche Höchstmenge von 10 µg/kg!

Riskanter Weichmacher: Bisphenol A

Dass bei Industriestudien Skepsis angebracht ist, zeigen auch Metastudien zu Bisphenol A (BPA) und dem Süßstoff Aspartam. Während gut 90 % der unabhängigen Studien Gesundheitsrisiken sahen, stuften alle Industriestudien die beiden Chemikalien als harmlos ein (23).

Bisphenol A wirkt bei Nagern schon in sehr niedrigen Konzentrationen immunsuppressiv und hemmt die Spermotogenese (ab 2 µg/kg Körpergewicht pro Tag). Zugleich beobachten Forscher seit den 1950iger-Jahren mit Sorge, dass die Spermiendichte auch bei Männern in Deutschland erheblich abnimmt. Dazu Kruse: „Eine Möglichkeit, die da eine Rolle spielen könnte, ist das BPA.“ 

Ergebnisse, die anscheinend auch die zuständigen Behörden wachgerüttelt haben: Nachdem der Wert für die tolerierbare tägliche Aufnahmemenge (TDI) mit Blick auf die Leber- und Nierentoxizität viele Jahre bei 50 µg/kg KG pro Tag lag, wurde er 2015 auf 4 µg/kg KG pro Tag gesenkt. Nun postuliert die EFSA sogar eine Senkung auf 0,04 ng/kg Körpergewicht pro Tag (24). Der neue Wert ist etwa um den Faktor 100.000 niedriger als der bisherige! Für Kruse ein sensationeller Vorgang: „Das hängt damit zusammen, dass langsam durchgesickert ist, wie immunotoxisch Bisphenol A ist und wie stark es die Spermiendichte beeinflussen kann.“ Besonders brisant dabei: Der neue Wert liegt weit unter unserer tatsächlichen mittleren Aufnahme, die auf 30 bis 70 ng/kg Körpergewicht pro Tag geschätzt wird. „Wir liegen also weit über der Toleranzgrenze, was ich natürlich für ungemein bedenklich halte.“

Verboten ist BPA bei uns in Säuglingsfläschchen und weitgehend in Thermopapier (Kassenbons). Nach wie vor findet es sich im Haushalt, z.B. als Epoxidharz zur Innenbeschichtung von Konservendosen und in Wasserkochern. Kruse weiter: „Viele Hauptwasserleitrohre sind mit Epoxidharzen ausgekleidet und können BPA freisetzen.“ Ersatzprodukte wie Bisphenol S seien nicht hinreichend getestet und z.T. gäbe es auch hierzu kritische Hinweise. 

Dr. Kruses Tipps für Verbraucher:

  • Meiden Sie Kunststoffe mit dem Identifikationscode 03 PVC und 07 G – und zwar auch bei älteren Haushaltsgegenständen. Denn Bisphenol A kann aus dem Kunststoff lebenslang freigesetzt werden. Dagegen sind PET-Flaschen grundsätzlich frei von Bisphenol A.
  • Dringend abzuraten ist von BPA-haltigen Wasserkochern, da es dort sehr heiß werden kann. 
  • Achten Sie auf den Hinweis „BPA-frei“, denn „Alle Produkte, die im Verdacht stehen Bisphenol A zu enthalten, aber keines enthalten, müssen gekennzeichnet sein mit ‚BPA-frei‘“, so Kruse.

Problematische Altlasten – „Der Boden hat ein langes Gedächtnis.“

Zuletzt widmete sich Kruse Altlasten, wie sie durch Fluss-Sedimente (Bsp. Dioxine in den Elbwiesen), Rieselfelder, Deponien, Pestizide (z.B. Atrazin im Föhrer Grundwasser), defekte Abwasserleitungen (Hormone, Medikamente) oder die Luft entstehen können. Ein Problem bzgl. der Schwermetalle ist nach wie vor Klärschlamm, der ab 2029 fast überall in Deutschland (thermisch) entsorgt werden muss.

Tipps von Dr. Kruse für den Alltag:

  • Blei lässt sich relativ gut von pflanzlichen Lebensmitteln abwaschen. 
  • Wer sich näher für Belastungen in seiner Region interessiert: In jedem Bundesland gibt es „Boden-Dauerbeobachtungsflächen“ (BDF), die alle 5 Jahre auf Belastungen untersucht werden. 
  • Achten Sie beim Kauf auf Siegel und bevorzugen Sie am besten deutsche Produkte von Herstellern Ihres Vertrauens wie Demeter, Naturland oder Bioland.

Mikronährstoffe bei psychiatrischen Erkrankungen

Dass die Wirkung von Mikronährstoffen weit über den Körper hinausgeht, machte der Vortrag vom Apotheker und Heilpraktiker Dr. rer. nat. Hans Peter Weinschenck deutlich. Nach wie vor werden viele Patienten mit psychischen Erkrankungen nur mit Psychopharmaka behandelt. Dabei gelten Antidepressiva in Fachkreisen als vergleichsweise wirkungsschwach ("dirty little secret"). Dem gegenüber stehen Erkenntnisse, die die Bedeutung von Mikronährstoffen bei psychiatrischen Erkrankungen belegen. Als Beispiel nannte Weinschenk Depressionen und Schizophrenie: Einerseits weisen Depressive häufig einen Mangel an hirnaktiven Mikronährstoffen auf, andererseits belegen Studien die positive Wirkung von Mikronährstoffen bei Depressionen. Auch bei Schizophrenie bergen Mikronährstoffe ein erhebliches Potenzial (90 % Remission mit zusätzlichen Mikronährstoffen!).

 

Entsprechend plädierte Weinschenck dafür, Ernährung und orthomolekulare Therapie, den Energiestoffwechsel, stille Entzündungen (Silent Inflammation), das Darmmikrobiom und Umweltbelastungen deutlich stärker in Pathophysiologie und Therapie zu berücksichtigen.

Damit folgt er den Erkenntnissen von William J. Walsh, der als anerkannter Experte auf dem Gebiet der nährstoffbasierten Psychiatrie und Ernährungsmedizin schon 2012 erkannte:


Tatsächlich fühlen sich die mehr als 70 % der Patienten mit Verhaltensstörungen, ADHS oder Depressionen nach 6-monatiger orthomolekularen Therapie ohne Medikamente am besten. Bei vielen psychischen Erkrankungen wie ADHS, Schizophrenie, bipolarer Störung und Depression gelingt es durch orthomolekulare Therapie,

  • Medikamente sicher zu reduzieren oder sogar ganz auf sie zu verzichten
  • Nebenwirkungen zu reduzieren, so dass die Patienten ihre Medikamente bereitwilliger einnehmen
  • die Lebensqualität deutlich zu verbessern.

Keine Neurotransmitter ohne Mikronährstoffe

Wir brauchen Mikronährstoffe u.a. für die Energieversorgung, die Integrität der Blut-Hirn-Schranke, als Oxidationsschutz und als Rohstoffe für die Synthese von Neurotransmittern. Als Beispiel nannte Weinschenck die Biosynthese von Adrenalin, Noradrenalin und Dopamin, die Folsäure, Vitamin B6, B12, C, D, Calcium, Eisen und Kupfer erfordert. Insbesondere bei veganer Ernährung und im Seniorenheim könnte der Mangel an Eisen, Vitamin D, B12 und Methionin durchaus zum Problem werden.

Energiemangel und seines Folgen

„Das Gehirn ist ein gefräßiger Egoist und ganz deutlich energieintensiv“, so Weinschenck. Daher hat ein Energiemangel immer systemische – und damit auch psychiatrische Folgen. „Ein Gehirn mit Energiemangel hat in der Regel Angst, Schmerzen, Unruhe, schlechte Laune, keine Geduld, keine Leistung.“ 

Schon kleinste Unterbrechungen der Glukosezufuhr haben drastische Folgen und führen zu Funktionsausfällen im Gehirn (Ausnahme ketogener Zustand). „Besonders dramatisch ist das bei Patienten mit geschädigter Halswirbelsäule [durch Unfall oder durch ein Schleudertrauma]“, bei denen die Energiegewinnung empfindlich gestört ist.

Energiemangel betrifft nicht nur das Gehirn, das bevorzugt mit Glukose und Mikronährstoffen versorgt wird, sondern jedes Organ, jedes Symptom und jedes Lebensalter. In diesem Sinne sieht Weinschenck eine enge Beziehung zwischen auf den ersten Blick völlig unterschiedlichen Erkrankungen: „Eine Pankreasinsuffizienz und eine Demenz sind Schwestern. Oder Vorhofflimmern und Sehstörungen.“ 

Zu den typischen Folgen eines Energiemangels gehört auch schnelle Reizbarkeit. Der einfache Grund: Bei Energiemangel erreicht eine Nervenzelle nicht mehr ihr normales Membranpotenzial von 70 mV und wird schneller erregbar. Die übermäßige Aktivität des Nervensystems äußert sich als große innere Unruhe, starke Geräuschempfindlichkeit und Getriebenheit. Diese Menschen können trotz Erschöpfung einfach nicht abschalten und müssen ständig etwas tun. „Ein Gehirn kann nur zur Ruhe kommen, wenn auch genügend Energie da ist“, so der Apotheker, der auch Durchschlafstörungen und eine Reizblase in diesem Kontext sieht. Seiner Erfahrung nach verschwindet diese häufig, wenn die Patienten über vier Wochen REHA 1 nehmen.

Ursachen von Energiemangel

Doch woher kommt unser Energiemangel? Dahinter stecken können Giftstoffe wie Glyphosat, Weichmacher, Zahnfüllmaterial, Kunststoffe, Krankheitserreger, aber auch Stress und chronische Entzündungen. Analog zum Zytokinsturm bei Covid-19 sprach Weinschenck bei Stress von einer Zytokinbrise. „Wir wissen von der Nordsee: Auch eine konstante Brise baut große Dünen auf.“ Hinzu kommen Arzneimittel wie Statine und Antibiotika (Gyrasehemmer, Tetrazyklin), Tamoxifen und Antiepileptika, die z.T. über lange Zeit gegeben werden und den Energiestoffwechsel des Gehirns stören können.

Ein weiteres Problem bei der Energieversorgung sind industriell verarbeitete Kohlenhydrate. Sie erhöhten schnell den Blutzucker- und damit den Insulinspiegel. „Es ist immer wieder wichtig zu verdeutlichen, dass ein Prädiabetes mit einem Insulinüberhang beginnt und Diabetes und Depression miteinander vergesellschaftet sind.“ Die anschließende reaktive Hypoglykämie triggert ihrerseits ADHS, Bulimie, Angst- und Zwangsstörungen, Depression und Schizophrenie usw. Umso wichtiger sind dann Mikronährstoffe wie Zink und Chrom, die dazu beitragen, den Blut-Glukosespiegel zu stabilisieren.

Ein weiterer wichtiger Faktor ist eine instabile Halswirbelsäule (craniocervicales Übergangsgelenk, „Genickgelenk“). Das dadurch freigesetzte Stickstoffmonoxid (nitrosativer Stress) blockiert die Glykolyse und führt so zu einer deutlich geringen Energieausbeute. Diese Menschen erzählen dann, dass sie Zucker als Nervenfutter brauchen. Darüber hinaus kann eine instabile Halswirbelsäule zu Störungen der Blut-Hirn-Schranke, einer erhöhten Empfindlichkeit gegenüber Schadstoffen und zu Entzündungen im Gehirn ZNS führen. Betroffene klagen über Angst, ein schlechteres Kurzzeitgedächtnis, Sehstörungen oder darüber, dass sie nicht abschalten können. Solchen Menschen empfiehlt Weinschenck den Verzicht auf Joggen, da dies den nitrosativen Stress bei instabiler Halswirbelsäule erhöht, und Vitamin B12. Denn Vitamin „B12 ist ein natürlicher Stickstoffmonoxid-Antagonist.“ Am besten kombiniert mit Biotin, Zink, Magnesium und Folsäure.

Auch die Integrität und Besiedlung des Darms beeinflussen über die Darm-Hirn-Achse direkt das ZNS. Als Beispiel nannte Weinschenck einen Landwirt, der seine Rinder durch Botulismus verloren hatte. Verantwortlich war Glyphosat im Tierfutter, das die gesunden Enterokokken – wichtige Antagonisten von Clostridium botulinium im Darm – zurückdrängt und damit die Ausbreitung des gefährlichen Keims befördert. „Deswegen ist Öko-Kost so wichtig“, so Weinschenck. Denn wenn wir Pflanzenschutzmittel mit der Nahrung aufnehmen, beeinträchtigt das auch unsere Darmflora.

Inzwischen wissen wir, dass Nahrungsmittelunverträglichkeiten und ein gestörtes Mikrobiom über die Darm-Hirn-Achse viele psychiatrischen Erkrankungen beeinflussen, darunter Angststörungen, ADHS, Autismus, Bipolare Störungen, Depression und Schizophrenie. Bei Autismus bspw. profitieren bis zu 85 % der Betroffenen von einer milch- und getreidefreien Ernährung, während die Schizophrenie in Ländern ohne Getreide- oder Milchverzehr sehr selten ist. Interessant ist auch ein möglicher Zusammenhang von Laktoseunverträglichkeit und Depression. Derzeit geht man davon aus, dass die unverdaute Laktose im Darm einen Komplex mit Tryptophan bildet, der dann mit dem Stuhl ausgeschieden wird und dem Körper somit zu wenig Tryptophan für die Serotoninbildung zur Verfügung steht. „Deswegen ist es wichtig, dass wir den Darm in Ordnung bringen und deswegen macht eine Darmsanierung unbedingt Sinn“, so Weinschencks Fazit.

Warum ist eine „Darmsanierung“ mit Mikrobiota so wichtig? 

  • „Die ‚Sanierung‘ des Darms verhindert, dass unverdaute Proteine das Gehirn erreichen.“ Im Fall einer Dysbiose entstehen bspw. unverdaute Getreide- und Milchproteine, die mühelos die Darm-Blut-Schranke überwinden und in Kombination mit Mobilfunk oder Fremdstoffen bis ins Gehirn gelangen können.
  • Ein gesunder Darm schafft die Grundlage dafür, dass alle für das Gehirn wichtigen Nährstoffe gut verdaut und aufgenommen werden, um dem Gehirn zur Verfügung gestellt werden zu können.
  • Eine gesunde Darmmikrobiota hält unerwünschte Keime in Schach, die das Gehirn durch toxische Nebenprodukte belasten. 
  • Sie verhindert eine weitere Entzündung des Gehirns und damit die Bildung von Immunbotenstoffen usw., die ihrerseits ins Gehirn gelangen können.

Mobilfunk – Wirklich harmlos?

Immer wieder wird der Einfluss von (Mobilfunk-)Strahlung diskutiert. Inzwischen mehren sich die Hinweise darauf, dass (Mobilfunk-)Strahlung unsere Blut-Hirn-Schranke öffnet. Hinzu kommt:

  • „Selbst ein ausgeschaltetes Handy beeinträchtigt die Konzentration.“ (Prof. Korte, Hirnforscher, TU Braunschweig)
  • „Probanden lösen Aufgaben unter Mobilfunkstrahlung wie unter Alkohol schneller und fehlerhafter.“ (Prof. Mosgöller, Krebsforschung Uni Wien)
  • „Mobilfunkstrahlung verändert das EEG massiv.“ (Dr. Diana Henz, Uni Mainz)

 

3-A-Regel von Prof. Mosgöller zum Schutz vor Mobilfunk

  • Abstand halten
  • Ausschalten
  • Antioxidantien

Problematische Fremdstoffe

Zu den Fremdstoffen, die unser Gehirn belasten und sich negativ auf die Psyche auswirken, gehören:

  • Metalle, die unsere Blut-Hirn-Schranke undicht werden lassen
  • Lebensmittel-Farbstoffe wie Chinolingelb, das auch in Nahrungsergänzungen verwendet wird (AD[H]S)
  • Aspartam (Depression, Angst, Panik)
  • Glutamat (Depression)
  • Aluminium (Alzheimer)
  • Kupfer (Depressionen)
  • Alkohol (Depression)
  • Koffein (Depression, Angst, Schizophrenie, Gewalttätigkeit) (Gaby 2018)

„Viele Menschen die erschöpft sind, benutzen Koffein, um noch weiter zu funktionieren und ahnen nicht, dass sie ihre letzten Reserven verbrauchen“, so Weinschenck. „Kupfer und Eisen sind im Gehirn die Hauptquelle für freie Radikale. Und die meisten psychiatrischen Patienten haben einen Kupferüberhang und einen Zinkmangel und damit auch einen oxidativen Stress im Gehirn.“ In solchen Fällen empfiehlt der Apotheker gerne Zink: „Wenn ich Zink gebe, sinkt der Kupferspiegel.“

Das größte Problem ist für Weinschenck der unsägliche Mix aus vielen Belastungen:

  • hoher Zuckerkonsum mit raschem Anstieg des Blutglukosespiegels und reaktiver Hypoglykämie
  • gestörter Darm
  • Mikronährstoffmangel
  • W-LAN
  • Fremdstoffe, die das Gehirn beeinflussen, inkl. Medikamenten

Nebenwirkungen von Arzneimitteln

Viele Pharmaka zeigen Nebenwirkungen auf das ZNS („Keine Wirkung ohne Nebenwirkung“, Prof. Dr. Heinz Lüllmann 1924-2014). Ein erschreckendes Beispiel hierfür ist die unter dem bei Schizophrenie eingesetzten Risperdal® nachgewiesene Schrumpfung des Gehirns. (25)

Viele weit verbreitete Medikamente behindern unsere Nährstoff-Versorgung und haben psychische Nebenwirkungen:

Präparate Mögliche Nebenwirkung Betroffene Nährstoffe
Statine Depression Mangel an Coenzym Q10
Kontrazeptiva Depression Mangel an Vitamin B12, B6 und Folsäure
Metformin Demenz (Depression?) Mangel an Vitamin B12
Protonenpumpenhemmer (PPI) Verminderung des IQ – schon nach einer Woche, Demenz, (Depression?) Vitamin-B12-Mangel
Trizyklische Antidepressiva   Vitamin-B2-Mangel – wird im Energiestoffwechsel benötigt, Störung von Q10-Status

 

Dazu der Apotheker: „Bei PPI und Metformin gibt es immer einen subklinischen B12-Mangel“, wobei der gemessene Vitamin B12-Spiegel völlig unauffällig sein kann. Wichtiger wäre die Messung von Methylmalonsäure in Blut oder Urin.

Was tun? – Mikronährstoffe fürs Gehirn

In vielen Fällen können Orthomolekularia psychische Störungen spürbar verbessern. Zu den für das ZNS-relevanten Mikronährstoffen gehören laut Weinschenck insbesondere 

  • B-Vitamine (v.a. Vitamin B6, B12, Folsäure), 
  • Vitamin D, 
  • Magnesium, Calcium, Zink, Eisen,
  • Omega-3-Fettsäuren (EPA/DHA) 
  • die Antioxidantien Coenzym Q10, Selen, Vitamin C und E. 

Als Beispiel für die mitunter eindrucksvolle Wirkung nannte er Senioren in einem Pflegeheim, die im Rahmen einer Doppelblindstudie unter dem Einfluss von B-Vitaminen, Magnesium und Zink deutlich fitter und aktiver wurden. (26) Ein Ergebnis, das Weinschenck aus seiner Arbeit nur bestätigen kann. „Wenn ich da nur den B-Komplex gebe, bei jemandem der inaktiv ist, mit Magnesium und Zink, dann passiert da schon eine ganze Menge. Da kann man mit einfachen Mitteln wirklich Gutes leisten.“

Weinschencks Fazit zu Orthomolekularia bei psychiatrischen Erkrankungen

  • Nährstoff-Mängel, aber auch ein Zuviel an bestimmten Nährstoffen wie z.B. Kupfer, können sich auf die Hirnfunktion auswirken.
  • Leichte bis moderate psychische Störungen lassen sich durch eine orthomolekulare Therapie in der Regel nebenwirkungsfrei bessern.
  • In vielen Fällen kann die Dosierung von Medikamenten reduziert werden, auch wenn oft nicht ganz auf sie verzichtet werden kann.
  • Patienten berichten von:
    - Mehr Energie, Initiative, Aktivität, Offenheit
    - Besserer Stimmung und Gefühlen, Stressresistenz, Schlaf, Konzentration, Geduld, Ausdauer, innere Ruhe, Sättigung, Beweglichkeit (auch gedanklich), 
    - Weniger Angst, Geräuschempfindlichkeit, Blendempfindlichkeit, Schmerz, Frieren, Reizbarkeit
  • Die Behandlung braucht Zeit und Geduld. 
  • In schweren Fällen sollte ein orthomolekular erfahrener Arzt hinzugezogen werden.

Fettlösliche Vitamine – Mangel oder Überdosierung?

Vitamin A, D, E und K: Immer wieder wird bei den fettlöslichen Vitaminen vor Überdosierungen gewarnt. Doch wie berechtigt ist diese Sorge wirklich?

Schon zu Beginn des Vortrags stand ein klares Statement von Prof. Dr. med. Harald Stossier, Arzt für Allgemeinmedizin mit Schwerpunkt Orthomolekularmedizin: „Nebenwirkungen und Überdosierungen gibt es so gut wie nicht, wenn man mit vernünftigen Mitteln und mit herkömmlichen Präparaten arbeitet.“

Vitamin A / ß-Carotin

Das Antioxidans Vitamin A wird an vielen Stellen im Körper benötigt, z.B. im Auge, im Immunsystem, als Epithelschutz, als Antioxidans und bei der Fertilität. Außerdem brauchen wir es in Stress und Belastungssituationen.

In der Natur kommt Vitamin A in mehreren Formen vor, die in Tieren als Retinole und in Pflanzen als Carotinoide bezeichnet werden. 

 

Wie viel Vitamin A brauchen wir? 

Der tägliche Bedarf liegt bei 4 bis 6 mg ß-Carotin (2.300–3.300 IE Vitamin A). Therapeutisch arbeitet Stossier mit 15 bis 30 mg ß-Carotin (10–40.000 IE Vitamin A). Zum Vergleich: Eine Überdosierung, wäre nur zu erwarten, wenn wir über einen längeren Zeitraum 50.000 bis 100.000 IE Vitamin A verabreichen – und auch nur mit Vitamin A. Auf der sicheren Seite ist man mit β-Carotin, das erst im Körper in Vitamin A umgewandelt wird, so dass eine Überdosierung ausgeschlossen ist. 

Die übliche Umrechnung liegt bei 6 µg ß-Carotin =1 µg Vitamin A (Retinol), wobei die Ausbeute an Vitamin A durch Polymorphismen deutlich geringer ausfallen kann. In diesen Fällen kann die Gabe von Vitamin A statt ß-Carotin sinnvoll sein.
 

Tipp von Prof. Stossier:

Die fettlöslichen Vitamine A, D, E und K immer zum Essen verabreichen, damit sie (im Dünndarm) besser aufgenommen werden.

Risiken durch Vitamin-A-Mangel

„Vitamin-A-Mangel ist häufiger als angenommen. Vor allem Risikogruppen wie Senioren, Kleinkinder, Schwangere und Stillende haben erhöhten Bedarf“, so Stossier. Frühe Anzeichen eines Vitamin-A-Mangels sind Probleme beim Nachtsehen und eine hohe Lichtempfindlichkeit (helles Sonnenlicht verbraucht viel Retinol). 

Vitamin E

Für Stossier ist Vitamin E eines der wichtigsten Vitamine gegen Entzündungen. Die höchste Aktivität der acht natürlichen Tocopherole, die uns idealerweise alle zur Verfügung stehen, hat D-α-Tocopherol. Enthalten ist es vor allem in kaltgepressten Ölen wie Weizenkeimöl.

Vitamin E ist das wichtigste Antioxidans im Fettbereich und schützt insbesondere ungesättigte Fettsäuren, die Zellmembran, Enzyme, Hormone und andere fettlösliche Vitamine vor freien Radikalen und Oxidation. Wichtig: Zur Regeneration des oxidierten Vitamin E brauchen wir Vitamin C und Glutathion! Auch die Bildung von Coenzym Q10 erfordert Vitamin E.

Der tägliche Bedarf liegt bezogen auf α-Tocopherol bei 12 mg (18 IE). Therapeutisch werden üblicherweise 100 bis 1000 mg eingesetzt. Eine Überdosierung ist kaum möglich, da hierfür sehr große Mengen (> 3000 mg/d) nötig wären. Dazu Stossier: „ Da müsste jemand eine Packung Vitamin E pro Tag standardmäßig zu sich nehmen.“

Vitamin K

Das „Koagulations-Vitamin“, wie Stossier Vitamin K gerne nennt, wird seiner Ansicht nach noch zu wenig beachtet – und das obwohl es ein wichtiger Cofaktor für viele Enzyme ist. Es ist bedeutsam für die Knochenmineralisierung und zum Schutz der Gefäße vor Calcifizierung (Arteriosklerose). „Vitamin K wird nachgesagt, die arteriosklerotischen Ablagerungen zu reduzieren“, so der Experte.

Unterschieden werden Vitamin K1 (Phylloquinon) und K2 (Menaquinon 4/7) als biologisch aktive Form. Im Labor können nicht nur Vitamin K selbst, sondern auch Gla-Proteine als Funktionsparameter gemessen werden. Ein gutes Maß für eine Unterversorgung sind die extrahepatischen Gla-Proteine, die bei Vitamin-K-Mangel nicht ausreichend carboxyliert werden.

Der tägliche Vitamin-K-Bedarf liegt bei 60 bis 80 µg, besser wären laut Stossier 100 bis 400 µg. Therapeutisch empfiehlt er die Gabe von Vitamin K2 vor allem als Menaquion 7 (MK 7) mit einer niedrigen Dosierung von 200 µg/d, da diese eine bessere Resorption und längere Halbwertzeit verspricht.

„Überdosierungen sind hier praktisch nicht bekannt. Das ist hier fast nicht möglich.“ Vorsicht geboten ist lediglich bei Gerinnungspatienten. Unter gleichzeitiger Marcumartherapie sollte die Dosierung auf 10 µg/d begrenzt werden.

Mögliche Einsatzgebiete von Vitamin K sind Mitochondriopathien, Arteriosklerose sowie Diabetes.

Vitamin D

Ähnlich wie zuvor bei Nehls war Vitamin D auch bei Stossier der „Star des Vortrags“. Vitamin D ist das einzige Vitamin, bei dem die biologisch aktive Form (Calcitriol) ein Hormon ist.

Bei der Frage nach einer möglichen Überdosierung gab Stossier auch bei Vitamin D Entwarnung: „Ich kann Sie beruhigen, es passiert überhaupt nichts, wenn man es richtig einsetzt.“ „Es ist auch heute eine Illusion, dass wir über die Ernährung ausreichend Vitamin D zuführen könnten.“ Wir brauchen die Sonne, eine ausreichend Sonnenstrahlung und -intensität, damit Vitamin D gebildet werden kann (UVB 290–315 nm, mind. 18 mJ/cm2, UV-Index >3). Das sind Bedingungen, wie wir sie im (Herbst und) Winter zwischen Lübeck und Kärnten nicht erreichen. Zusätzlich zur Sonne braucht die Vitamin-D-Synthese eine Reihe von Enzymen, die ihrerseits Cofaktoren wie Vitamin C und Magnesium benötigen.

Praktisch jede Zelle hat einen Vitamin-D-Rezeptor, mit dem über 2.000 Gene in der Zelle gehemmt oder aktiviert werden. Das erklärt die breite Wirkung von Vitamin D. Besonders achten sollten wir auf das Sonnenhormon im Hinblick auf Knochen, Immunsystem (Autoimmunerkrankungen, Diabetes, Infektanfälligkeit), Zellwachstum und Entwicklung, Psyche, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Hautkrankheiten und Übergewicht.

  • Da die Grundlage für die Knochengesundheit schon im Kindes- und Jugendalter gelegt wird, plädiert Stossier dafür, Vitamin D anders als bislang üblich über das Säuglingsalter hinaus zuzuführen.
  • Diabetes: „Bei einem Vitamin-D-Mangel wird weniger Insulin produziert.“ Wenn es uns gelingt, beim Typ-II-Diabetiker, den Vitamin-D-Spiegel anzuheben, reduzieren wir damit signifikant das Risiko für ein metabolisches Syndrom!
  • Übergewicht: Ein wichtiges Thema ist Vitamin D auch bei Übergewicht. Dazu Stossier: „Man könnte fast sagen: Das Fettgewebe ‚saugt‘ Vitamin D ab.“ Übergewichtige Kinder benötigen bspw. 2- bis 3-mal so viel Vitamin D wie Normalgewichtige. Das betrifft bei uns inzwischen fast für jedes vierte Kind. 
  • Immunsystem: Wir finden Vitamin-D-Rezeptoren an allen immunkompetenten Zellen. Zugleich sehen wir in Regionen mit einer niedrigen Vitamin-D-Versorgung eine hohe Inzidenz von Autoimmunerkrankungen wie Multiple Sklerose, Rheumatoide Arthritis und Typ-I-Diabetes. Vitamin D ist fast der wichtigste Regulator im Immunsystem und kann insbesondere die proinflammatorische Tendenz bei Autoimmunkrankheiten ausgleichen.

Ein vielleicht noch nicht ganz so bekanntes Phänomen ist die sog. Vitamin-D-Resistenz, bei der Vitamin D nicht die gewünschte physiologische Wirkung entfaltet, sprich, die Gabe von Vitamin D führt nicht zu üblichen Senkung des Parathormons. Dafür sind auch eine Reihe von Cofaktoren wie Magnesium, Bor, Zink und Vitamin B2 erforderlich.

 

Wie viel Vitamin D braucht mein Patient?

Leider berücksichtigen die aktuellen Normwerte nur die Funktion von Vitamin D für die Knochen und den Parathormonspiegel. Ein Problem, das auch bei Nehls schon anklang, der für das Immunsystem einen höheren Vitamin-D-Bedarf sieht.

Als normal gelten Vitamin-D-Spiegel über 30 ng/ml (75 nmol/l), ideal sind laut Stossier 40 bis 60 ng/ml (100–150 nmol/l). Er selbst versucht seine Patienten auf Werte um 100 ng/ml einzustellen. Als Grenzwert zur Intoxikation gelten Werte über 150 ng/ml (375 nmol/l). Grundsätzlich ist es egal, ob man Vitamin D täglich, wöchentlich oder monatlich verabreicht, wobei die tägliche Gabe am natürlichsten ist. 
 

So berechnen Sie die richtige Dosis

Um den Vitamin-D-Spiegel um circa 10 ng/ml (ca. 25 mmol/l) zu heben, bedarf es rund 1000 IE pro Tag. 

Therapeuten, die einen bestimmten Wert für ihre Patienten anstreben, können die Initialdosis nach folgender Formel berechnen: 40 x (Soll – Istwert in nmol/l) x kg KG. Beispiel: Bei einem Patienten mit einem Vitamin-D-Spiegel von 20 nmol/l und einem Körpergewicht (KG) von 70 kg und einem Zielwert von 150 nmol/l ergibt das 
40 x (150 – 20) x 70 = 364.000 IE D3, verteilt auf 10 Tage, also circa 40.000 IE/d initial, danach 50–60 IE/d pro kg KG, also 3.500–4.200 IE/d.

Risiko Vitamin-D-Überdosierung?

Laut Stossier gab es weltweit bislang nur einen Fall einer Vitamin-D-Intoxikation: bei einem Patienten, der aufgrund eines Produktionsfehlers über mehrere Monate täglich 2 bis 2,5 Millionen Einheiten Vitamin D pro Tag genommen hatte. Entsprechend stellte Stossier klar: „‘Natürliches‘ Vitamin D ist sicher!“ Und das bis zu einer täglichen Dosis von 4000 IE (100 µg) und Werten unter 150 ng/ml. Selbst bei Einnahme von bis zu 10.000 IE pro Tag sind keine Schäden festgestellt worden (NOAEL Dosis). 

Besondere Vorsicht geboten ist mit Blick auf die Nieren bei Dialyse-Patienten und Patienten mit Autoimmunkrankheiten. Hier sollte insbesondere auf eine Calcium-arme Diät geachtet werden.

Fettlösliche Vitamine auf einen Blick
 

  Bedarf Therapeutische Dosierung Überdosierung?
Vitamin A 2.300–3.300 IE Vit. A, 4-6 mg ß-Carotin pro Tag 10–40.000 IE Vit. A, 15–30 mg ß-Carotin 50–100.000 IE/d über längere Zeit; nicht bei ß-Carotin
Vitamin E 12 mg = 18 IE pro Tag 100–1000 mg = 150–1500 IE > 3000 mg/d
Vitamin D Normwert: > 30 ng/ml = 75 nmol/l abhängig vom Spiegel > 4.000 IE/d; bis 10.000 IE/d keine Schäden festgestellt
Vitamin K 60–80 µg / besser: 100–400 µg pro Tag    
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