Kindliche Gesundheit beginnt im Darm (02/2019)

Wer Kinder hat, möchte vor allem, dass es ihnen gut geht!

Damit Sie die Gesundheit Ihres Kindes optimal unterstützen können, haben wir eine Reihe wissenschaftlicher Erkenntnisse zum Thema Kindeswohl für Sie zusammengestellt. Eine entscheidende Rolle spielt dabei der Darm, dessen Bewohner unter anderem Verdauung, Immunsystem, Stoffwechsel, Gehirn und sogar unser Verhalten beeinflussen.

Die ersten Schritte zur kindlichen Darmflora

Nach neun geschützten Monaten im Mutterleib beginnt mit der Geburt der Aufbau unserer Darmflora, die für die Außenwelt stark macht. Während die Darmflora natürlich entbundener Kinder der mütterlichen Vaginalflora ähnelt, gleicht sie bei Kaiserschnitt-Babys mehr der Hautflora der Mutter. Um den natürlichen Aufbau des kindlichen Immunsystems bei Kaiserschnitt-Babys zu unterstützen, reiben manche Ärzte inzwischen sogar Neugeborene mit mütterlichem Vaginalsekret ein (1). Eine erste Studie deutet darauf hin, dass die Bakterienflora so behandelter Kaiserschnitt-Babys später der von natürlich geborenen Babys ähnelt (2, 3).

Günstig auf die Darmflora wirkt sich auch Stillen aus: Werden Kinder gestillt, überwiegen die als positiv angesehenen, probiotischen Bakterien im Darm. Dasselbe gilt für Säuglinge, die mit Geschwistern und Felltieren aufwachsen. Umgekehrt geht man davon aus, dass sich zu viel Hygiene ungünstig auf die Darmflora auswirkt. (4, 5) 

Die ersten Darmbakterien prägen unser Immunsystem – und das lebenslang

Warum die erste Besiedelung mit Bakterien unser Immunsystem ein Leben lang beeinflusst, hat kürzlich eine Studie des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung zu Tage gefördert. Demnach prägt die bakterielle Besiedelung des Darms gleich nach der Geburt die Struktur der Lymphknoten des Darms. Besonders spannend daran: Diese Lymphknoten geben kontinuierlich Informationen an Abwehrzellen weiter. Diese sind für unsere Toleranz gegenüber an sich harmlosen Stoffen wie Tierhaare, Pollen, Lebensmittel usw. und damit für die Vermeidung von Allergien verantwortlich. Auf diese Weise beeinflusst unsere frühe Darmflora ein Leben lang unser fein ausbalanciertes Immunsystem. (6, 7)

Die Ernährung von Eltern und Großeltern hinterlässt ihre Spuren

Dass die Ernährung der Mutter und ihre Versorgung mit Nährstoffen während der Schwangerschaft maßgeblich die kindliche Gesundheit beeinflusst, liegt auf der Hand. Nun haben Forscher jedoch herausgefunden, dass auch die Ernährung der Großeltern Folgen für die Gesundheit hat. So erkranken männliche Enkel von Großvätern, die vor der Pubertät reichlich zu essen hatten, häufiger an Krebs und sterben im Schnitt früher. Verantwortlich sein könnten Veränderungen am Erbgut, die sich sogar auf noch spätere Generationen auswirken könnten. Ähnliches kennt man bereits von Kindern, deren Mütter während der Schwangerschaft hungern mussten. Auch diese Kinder zeigten entsprechende Veränderungen an ihren Genen – und hatten ein höheres Diabetes-Risiko. (8)

10 Tipps für die kindliche Gesundheit

  1. Nicht rauchen – Hören Sie möglichst bereits auf zu rauchen, sobald ein Kinderwunsch besteht. Rauchen Sie weder während der Schwangerschaft noch im Haushalt mit Kindern. Zigarettenrauch enthält rund 4000 giftige Substanzen, die die Gesundheit von Mutter und Kind bedrohen. 
  2. Achten Sie vor und während der Schwangerschaft auf Ihre Ernährung, Nährstoffversorgung und Bewegung. – Besonders sensibel ist die Zeit vor der Empfängnis bis zum 2. Geburtstag des Kindes (9). 
  3. Stillen – Bei gestillten Kindern finden sich häufiger probiotische Bakterien im Darm (4, 5).
  4. Geschwister und Felltiere – Babys, die mit Geschwistern und befellten Haustieren aufwachsen, haben häufiger probiotische Bakterien im Darm (4, 5).
  5. Regelmäßig frühstücken – reduziert u.a. das Risiko für Diabetes Typ 2 (10, 11).
  6. Nicht zu viel Zucker – Viele Eltern unterschätzen den Zuckergehalt von Lebensmitteln (12). 
  7. Übergewicht vermeiden – Übergewicht im Kindesalter birgt viele gesundheitliche Risiken und wird meist zur lebenslangen Last (13–15).
  8. Ausreichend bewegen – Viele (Eltern und) Kinder bewegen sich zu wenig und erhöhen damit ihr Risiko für Übergewicht. Die empfohlenen 60 Min/Tag erreicht nur jedes 10te Kind. (16) 
  9. Medienkonsum begrenzen – Bei langjährigen Vielfernsehern schrumpft die graue Substanz im Gehirn (17), Handystrahlung kann die Gehirnleistung von Jugendlichen stören (18), bei 2- bis 6-Jährigen führt die tägliche Nutzung elektronischer Medien zu emotionalen und psychischen Verhaltensauffälligkeiten (19) – um nur einige der jüngeren Studienergebnisse zu nennen.
  10. Antibiotika sparsam einsetzen und gleichzeitig oder spätestens anschließend die Darmflora wieder aufbauen – Antibiotika verändern die Darmflora – und das mitunter über Monate und Jahre (20–22).

Alles Gute für Ihre Gesundheit und die Ihrer Kinder wünscht Ihnen

Ihr Team von hypo-A

Literatur

1 Kaiserschnitt-Kinder. Mit Vaginalsekret das Immunsystem stimulieren. Ärzte-Zeitung online vom 18.07.2018

2 Vieweg, M.: "Mütterliche Lotion" für Kaiserschnitt-Babys. www.wissenschaft.de vom 01.02.2016 

3 Dominguez-Bello, M.G., et al.: Partial restoration of the microbiota of cesarean-born infants via vaginal microbial transfer. Nature Medicine, 22, 250–253, 2016, doi:10.1038/nm.4039

4 Westerhaus, C.: Frühes Mikrobiom. Wie sich Bakterien im Darm etablieren. Deutschlandfunk vom 25.10.2018

5 Stewart, C., et al.: Temporal development of the gut microbiome in early childhood from the TEDDY study. Nature Vol. 562: 583–588, 2018

6 Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung: Wie Bakterien das kindliche Immunsystem im Darm prägen. Meldung vom 04.10.2018

7 Pezold, J., et al.: Neonatally imprinted stromal cell subsets induce tolerogenic dendritic cells in mesenteric lymph nodes. Nature Communications 2018, doi: 10.1038/s41467-018-06423-7

8 Westerhaus, C.: Opas Ernährung beeinflusst die Gene seiner Enkel. Deutschlandfunk vom 12.12.2018 

9 Koletzko, B. et al.: Ernährung und Lebensstil vor und während der Schwangerschaft – Handlungsempfehlungen des bundesweiten Netzwerks Gesund ins Leben. GebFra Science, 08, 2018, doi: 10.1055/a-0713-1058

10 Deutsches Diabetes-Zentrum: Regelmäßiges Frühstücken verringert das Risiko für Typ-2-Diabetes. Meldung vom 12.11.2018

11 Ballon, A., et al.: Breakfast skipping is associated with increased risk of type 2 diabetes among adults: a systematic review and meta-analysis of prospective cohort studies. J Nutr 2018, doi: 10.1093/jn/nxy194

12 Max-Planck-Institut für Bildungsforschung: Eltern unterschätzen den Zuckergehalt von Nahrungsmitteln. Meldung vom 26.02.2018

13 Geissel, W.: Kindergesundheit. „Schwer adipöse Kinder sind die Verlierer“. Ärzte Zeitung online vom 09.11.2018

14 Universität Leipzig: Übergewicht entwickelt sich bereits in der frühen Kindheit – und bleibt dann bestehen. Meldung vom 04.10.2018 

15 Geserick, M., et. al.: Acceleration of BMI in Early Childhood and Risk of Sustained Obesity. N Engl J Med 2018; 379:1303-1312. doi: 10.1056/NEJMoa1803527

16 AOK-Familienstudie. Viel zu wenig Bewegung bei Kindern. Ärzte Zeitung online vom 02.07.2018

17 Studie. Fernsehen lässt das Hirn schneller schrumpfen. Ärzte Zeitung online vom 08.08.2018

18 Studie bei Jugendlichen. Handy-Strahlen funken im Hirn dazwischen. Ärzte Zeitung online vom 25.07.2018

19 Universität Leipzig: Elektronische Medien führen zu auffälligem Verhalten bei Vorschulkindern. Meldung vom 16.05.2018

20 Mikrobiom. Antibiotika verändern Darmflora. Ärzte Zeitung online vom 15.11.2018

21 Westerhaus, C.: Unerwünschte Nebenwirkung. Antibiotika-Therapien schädigen die Darmflora über Monate. Deutschlandfunk vom 14.12.2018 

22 Europäischer Antibiotika-Tag. Appell zur rationalen Antibiotika-Gabe bei Erkältung. Ärzte Zeitung online vom 16.11.2018

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