Parodontitis ist ein Hinweis auf Mangelernährung! – Interview (03/2019)

Zweimal täglich Zähne putzen, nicht zu viel Süßes naschen und auch die Zahnzwischenräume nicht vergessen – heute weiß eigentlich jeder, was Zähne brauchen. Aber wie kommt es dann, dass immer mehr Menschen trotz guter Zahnhygiene eine chronische Parodontitis entwickeln? 

Wir haben mit Dr. med. dent. Heinz-Peter Olbertz gesprochen, einem der führenden Experten im Bereich der ganzheitlichen Behandlung von Zahnfleischerkrankungen. 

Herr Dr. Olbertz, warum haben Sie sich für die Zahnmedizin entschieden?

Tatsächlich hatte ich damals die wie wir heute wissen falsche Vorstellung, dass der Arbeitsbereich der Zahnmedizin überschaubar ist. Nur die Mundhöhle – so hatte ich mir das vorgestellt. (lacht)

Und dann wurden Sie überrascht?

Ja, ich war irgendwann an einem Punkt, an dem ich zwar Erfolge hatte, aber auch Misserfolge bei einigen Patientengruppen. Bei der Frage nach dem Warum stieg ich tiefer in die Parodontologie ein. Im Studium haben wir gelernt, dass Menschen, wenn sie sich richtig ihre Zähne putzen, auch gesunde Zähne haben. Aber ich hatte Patienten, die eine super Zahnpflege betrieben, die sich bemühten und regelmäßig zum Zahnarzt gingen und trotzdem schwere Schäden an Zähnen oder Zahnfleisch hatten. Da kam schließlich die Frage auf: Mache ich alles richtig? Bin ich noch auf dem neuesten Stand der Wissenschaft? Und so weitete sich für mich das Feld der Zahnmedizin immer weiter aus.

Was hat sich dann verändert?

Ich habe angefangen zu recherchieren. Homöopathie, Neuraltherapie – und schließlich stieß ich auf die orthomolekulare Medizin. Die orthomolekulare Medizin geht davon aus, dass uns bestimmte Nährstoffe fehlen. Das Mikrobiom in uns ist in Jahrmillionen entstanden. Doch in den letzten 25 Jahren haben wir uns ganz anders ernährt als zuvor. Industrieproduktion, Konservierungsmittel, Genmanipulation, chemische Veränderungen – das ist eine Kette ohne Ende. Das hat zur Folge, dass uns heute oft wichtige Nährstoffe fehlen, die wir eigentlich bräuchten, damit unser Körper sich selbst regulieren kann. Eine Mangelerscheinung im Körper macht sich oft im Mundraum bemerkbar. Wenn Pferdehändler die Vitalität des Tieres beurteilen wollen, dann schauen sie sich nicht ohne Grund die Zähne des Tieres an. Das Gebiss ist ein gutes Merkmal für den Gesundheitszustand des ganzen Lebewesens, und das gilt auch für uns Menschen.

Sind Mangelerscheinungen also der eigentliche Grund für Parodontitis?

Heute würde ich sagen ja. Mangel an Nährstoffen kann fatale Auswirkungen auf den Körper haben. Dieses Wissen ist eine große Chance für die Zahnmedizin. Wenn man richtig hinschaut und Labordiagnostik nutzt, kann man Defizite im Mund frühzeitig erkennen. Aufgrund dieser Erkenntnis kann man verborgene Entzündungszustände des Körpers entdecken und so verhindern, dass sie im zunehmenden Alter schlimmer werden. Denn älter werden heißt leider auch entzündeter werden. Und wenn der Zustand sich über Jahre verschlimmert, können Demenz, Schlaganfall, Infarkte, Herzerkrankungen und Diabetes die Folge sein. Da tut sich das Spektrum der chronischen Erkrankungen auf. Das Schlimme ist, die Betroffenen scheinen immer jünger zu werden. Wenn sich Menschen um ihren Nährstoffhaushalt kümmern würden, könnten sie sich einiges ersparen.

Sind Parodontalprobleme denn heutzutage vordringliche Themen in der Zahnarztpraxis?

Auf jeden Fall. Karies haben wir weitgehend im Griff. Wir finden sie hauptsächlich bei Kindern aus sozial schwachen Familien. Man sagt 10 Prozent der Kinder haben heute 90 Prozent der kariösen Zähne. Die Zahnpflege ist heute einfach besser. Das belegt auch, dass mangelhafte Zahnpflege nicht die alleinige Ursache für die parodontalen Erkrankungen ist, denn die Zahl der Patienten mit schwerer Parodontitis bis hin zum Zahnverlust, bei denen klassische zahnärztliche Therapien nicht anschlagen, steigt kontinuierlich. Zahnpflege allein reicht eben nicht aus. Wir brauchen Ernährungsveränderungen. Parodontale Erkrankungen sind der Hinweis auf eine Mangelernährung. Hier können biologisch angebaute Nahrung, eine insgesamt ausgewogene Ernährung und der Verzicht auf Fertigprodukte helfen. Zusätzlich ist die gezielte Zufuhr von Vitalstoffen empfehlenswert. 

Raten Sie Ihren Patienten zu Nahrungsergänzungsmitteln?

Ja. Bei Parodontitis empfehle ich zum Beispiel die ergänzende bilanzierte Diät Itis-Protect®. Mit der studienzertifizierten Kur kann man das Problem in den Griff bekommen. Wir arbeiten auch mit einer Ernährungstherapeutin zusammen und geben Tipps und Hinweise. Ein klassisches Problem, welches zum Beispiel gegenwärtig immer existiert, ist der Mangel an Omega-3-Fettsäuren. Also uns fehlt der Fisch auf unserem Speiseplan. Der war früher ein Hauptbestandteil unserer Ernährung, deswegen ist unser Körper bis heute darauf eingestellt. Im pflanzlichen Bereich finden wir leider keinen Ausgleich. Omega-3-Fettsäuren sind aber Entzündungsmodulatoren, welche uns sehr fehlen, wenn wir sie nicht zu uns nehmen. Ein zweites weitverbreitetes Problem ist der Säure-Basen-Haushalt. Wir sind immer auf der sauren Seite. Da muss man einen Ausgleich finden. Das dritte große Problem ist der Zucker, der heutzutage in zu vielen Produkten steckt.

Was sind denn Ihre größten Ernährungssünden?

Ich habe die Zeit der Ernährungssünden hinter mir. Ich hatte früher Bluthochdruck und habe Betablocker genommen. Wenn ich heute Fotos sehe, dann denke ich immer: Wie aufgequollen sah ich bloß aus? Das war mir nie bewusst. Ich habe dann zum Glück einiges geändert: Bewegung, Gewichtsreduzierung, Änderung in der Ernährung und dann eben auch Nahrungsergänzungsmittel. Das halte ich konsequent ein. Ausnahmen zu Geburtstagen mache ich mal, man muss ja auch Spaß haben, man darf keinen Stress erzeugen.

Ist man nicht verzweifelt, wenn Patienten mit Parodontitis kommen und sich schlecht ernähren?

Man wird eher traurig. Ich habe nämlich eine ganze Reihe von Patienten, die ich vor zehn, fünfzehn Jahren versucht habe zu überzeugen, und jetzt ist der Schlaganfall oder die Krebserkrankung da. Da fragt man sich: Hast Du damals die falschen Worte gewählt? Ich bin ja kein Kommunikationsprofi. Vielleicht habe ich Ängste geschürt und dann haben die Betroffenen blockiert. Misserfolge treffen mich immer hart. Das ist erschreckend. Andererseits freue ich mich irrsinnig über die Erfolge.

Was muss passieren, um die Mundgesundheit der Bevölkerung zu optimieren?

Wir müssen ganz früh anfangen. Wir müssen Kindern schon klar machen, dass Pommes nicht auf Bäumen wachsen. Wir müssen wieder lernen, unser Essen auch selber zuzubereiten und nicht aufreißen, Zeitschaltuhr an, fertig. Ich denke, da ist tatsächlich auch ein Bedürfnis, sonst gäbe es ja nicht so viele Kochsendungen.

Warum gibt es denn noch so wenige Ärzte, die das Problem ganzheitlich sehen? 

Wir haben in der Parodontologie den Fehler gemacht, uns nur in der parodontalen Tasche aufzuhalten und die systemische Komponente außer Acht zu lassen. Jetzt denken wir langsam um. Es ist schwer, festgefahrenes Wissen zu durchdringen und die Kollegen zu überzeugen, die davon noch nie gehört haben. Die verwechseln ganzheitliches mit esoterischem Denken. Glücklicherweise arbeitet die Grundlagenforschung in der Medizin uns zu, und alte Vorurteile werden langsam aufgeweicht.

Wie reagieren denn Ihre Patienten darauf, wenn sie mit Zahnproblemen kommen und Sie ihnen etwas von Ernährung erzählen?

Ganz unterschiedlich. Wir haben Patienten, die wollen, dass ich als Arzt alles für sie regele. Aber ich kann natürlich nur informieren und motivieren. Der Patient selber hat die Verantwortung für seinen Körper. Das stellen sich viele anders vor. Der andere Teil ist unglaublich dankbar. Die Beratung ist allerdings sehr zeitaufwendig. Da kommen wir zum Thema Gesundheitssystem. Unser Gesundheitssystem funktioniert leider nach dem Gleichheitsprinzip. So bekommt jeder die gleiche Therapie. Wir müssen verstehen, dass die Parodontitis individuell behandelt werden muss. Und das kostet Zeit, was viele Kollegen davon abhält, in die Tiefe zu gehen. Sehr schade. Denn die schön stehenden Zähne nutzen keinem etwas, wenn sie 15 Jahre später ausfallen. 

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